Ein neuer Festplatz?

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Martin Gobsch
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Ein neuer Festplatz?

Beitrag von Martin Gobsch »

Sehr geehrter Leser dieses Forums,

die Erfurter Altstadt ist ein magischer Ort. Jeder Winkel atmet Geschichte. Mittelalterliche Kirchen, enge Gassen, alte Fachwerkhäuser, eine bebaute Brücke über einem Fluß ...
Diesem Charme vermag sich wohl kaum jemand zu entziehen. Deshalb kommen Besucher aus ganz Deutschland, Europa und aus weiter Ferne zu uns. Sie genießen die Schönheit unserer historischen Bauwerke, trinken Kaffee, lassen sich die Thüringer Küche schmecken ... aber sie freuen sich eben auch noch über etwas anderes. Ich höre es jeden Tag auf der Krämerbrücke. Sie spüren, daß in diesen alten Häusern noch "ganz normales" Leben stattfindet. Es ist eben nicht einfach nur eine schöne Kulisse aus alter Zeit. Hier wohnen noch Menschen die einfach Ihr Tagwerk verrichten und mit Ihrer Anwesenheit das Stadtbild prägen. Diese lebendige Ausstrahlung ist meiner Meinung nach ein Schatz. In vielen anderen Städten mit ähnlich historischer Bausubstanz wurde das "normale Leben" durch den Tourismus nahezu verdrängt. Ein Exrembeispiel ist Rothenburg o.T. . Dort wird deutlich wie eine malerische Altstadt zur reinen Kulisse verkommt, wenn sie nur noch vermarktet wird.
Erfurt hat trotz des großen Besucherandrangs die Gratwanderung bisher ganz gut geschafft. Gerade auf der Krämerbrücke gibt es dafür ein großartiges Konzept. Hier hat die Stiftung Krämerbrücke in den letzten Jahren Großes geleistet. Die in der Satzung festgeschriebene denkmalgerechte Nutzung ist ein Segen für die Brücke, die Bewohner und für die ganze Stadt.

Nun muß direkt neben der Krämerbrücke die Rathausbrücke erneuert werden.
Und wie sich allmählich herausstellt, soll die neue Brücke künftig noch viel stärker in die Stadtfeste einbezogen werden. Bisher standen dort nur zum Töpfermarkt und zum Krämerbrückenfest Buden. Zwei Wochenenden im Jahr unter Vollsperrung für den Verkehr. Offenbar plant man nun u.a. auch den 4wöchigen Weihnachtsmarkt auf die Rathausbrücke auszudehnen. Es ist sogar von Bühnen die Rede ... Daß man für diese Ideen (mindestens) eine 11m breite Brücke ohne Bordsteine braucht ist durchaus verständlich. Die Rathausbrücke soll also vor allem ein neuer Festplatz werden.
Aber wollen wir das wirklich?
Ich hoffe, daß diese Frage ausgiebig im Stadtrat diskutiert wird, bevor man sich entscheidet den aktuellen Entwurf umzusetzen.
Diese kommerzorientierte Planung, gefährdet eben jenes fragile Gleichgewicht zwischen Anwohnern und Besuchern, welches meines Erachtens so wertvoll ist für Erfurt.

Davon abgesehen berücksichtigt die jetzige Planung weder das künftige Verkehrskonzept (verkehrsberuhigte Mischverkehrsfläche als Sackgassensituation) noch den eindrucksvollen alten Baumbestand. Wie wichtig gerade Großbäume in Innenstädten sind, können Sie in anderen Forums-Beiträgen ausführlich lesen. Für mich sind Bäume lebendige Stadtgeschichte, sie sind für Besucher und Bewohner von außerordentlichem Wert. Und ja, es liegt in der Natur der Sache, daß es Bäume in der Stadt schwer haben. Aber sollte man nicht gerade deswegen alles daran setzen die gesunden, vitalen und stadtraumprägenden Exemplare möglichst zu erhalten?

Die jetzige Planung wird diesem wichtigen Ort im Herzen unserer schönen Altstadt nicht gut tun. Weder baulich noch nutzungsmäßig. Es wird ein kalter seelenloser Raum entstehen, der eben eher ein Platz als eine Brücke ist.

Eines möchte ich abschließend noch in Richtung Verwaltung sagen: Ich habe großen Respekt vor Ihrer Arbeit. Erfurt hat sich in den letzten Jahren an vielen Stellen positiv entwickelt. Das ist zum großen Teil der Verdienst von Stadtrat UND Verwaltung.
Allerdings würde ich mir wünschen, daß die Meinung der Bürger bei wichtigen Entscheidungen zur Stadtentwicklung tatsächlich ernst genommen wird. Gerade bei der Rathausbrücke ist die Bürgerbeteiligung nicht gut gelaufen, wie sogar der Oberbürgermeister eingestanden hat.
Bitte lassen Sie uns nach den Konfrontationen der letzten Wochen einen ergebnisoffenen, sachlichen und konstruktiven Dialog beginnen.
Jetzt haben wir die Zeit.

Martin Gobsch
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